EU-India: common values on shaky grounds

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This German op-ed was first published on 30 March, 2022 in Euractiv.

Experten beobachten seit der Wahl Narendra Modis zum Premierminister Indiens einen Anstieg an Warnzeichen für einen Völkermord in Indien. Die EU muss in ihren Bemühungen um eine Zusammenarbeit mit Indien sorgsam vorgehen, um nicht einen weiteren Autokraten zu unterstützen und zu ermutigen.

Alena Kahle ist Beraterin für Menschenrechte und Öffentlichkeitsarbeit bei The London Story, einem niederländischen Think-Tank, der sich im Europäischen Parlament für Menschenrechte und gegen Hassreden in sozialen Medien in Indien einsetzt. 

Seit der russischen Invasion der Ukraine steht außer den beiden Hauptakteuren ein weiteres Land im Rampenlicht: Indien. Indiens Enthaltungen zu Resolution der Vereinten Nationen haben international eine Debatte entfacht, in der nicht nur kritisiert wird, dass Indien der Ukraine den Rücken kehrt, sondern auch in Frage gestellt wird, ob die EU und Indien tatsächlich durch gemeinsame Werte verbunden sind.

Zwar ist die Position der indischen Regierung gegenüber Russland stark durch geopolitische und historische Faktoren geprägt, doch diese Haltung ist auch ein Symptom eines größeren Problems: Indiens Schutz von Menschenrechten steht auf immer dünnerem Eis.

Führende Sozialwissenschaftler, Historiker, Juristen und Menschenrechtsaktivisten kamen im Februar 2022 zu einer dreitägigen Konferenz unter dem Titel India on the Brink: Preventing Genocide zusammen und kamen zu dem Ergebnis, dass Indien nicht nur Menschenrechte immer weniger respektiert, sondern dass Indien gar am Rande eines Völkermords an religiösen Minderheiten steht.

Basierend auf den Erfahrungen in Ruanda, Sudan, Myanmar, Srebrenica und anderswo verkündeten führende Forscher wie Dr. Gregory Stanton von Genocide Watch bei der Konferenz, dass Indien aktuell bereits die wichtigsten Warnzeichen für einen Völkermord aufweist. Ähnlich sieht es das Early Warning Project des Holocaust-Gedenkmuseums in den USA, welches Indien als das zweitgefährdetste Land für einen Völkermord einstuft. Der ehemalige UN-Sonderberater für die Verhütung von Völkermord, Adama Dieng, forderte deshalb Indiens internationale Partner zur Ergreifung unverzüglicher Maßnahmen auf.

Nach sich zunehmend steigernden Spannungen und Auseinandersetzungen in den letzten Jahrzehnten beobachten Experten seit der Wahl Narendra Modis zum Premierminister Indiens einen Anstieg an Warnzeichen für einen Völkermord. Dies ist wohl wenig überraschend, denn immerhin ist Modi Mitglied der hindunationalistischen Organisation Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), deren Gründer sich ausdrücklich vom Nationalsozialismus inspirieren ließen.

Seit Modis Wahl im Jahr 2014 wurden mehrere Gesetze verabschiedet, die darauf abzielen, insbesondere Muslime, Christen und andere Minderheiten aus der indischen Gesellschaft auszuschließen, darunter das Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz (CAA) von 2019, das von unter anderem dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) als grundlegend diskriminierend und menschenrechtswidrig bezeichnet wurde.

Zu systematischer Diskriminierung durch den Staat sind allerdings vor allem in den letzten Monaten aktive Aufrufe zum Völkermord dazugekommen: Nun rufen hindunationalistische Anführer ihre Anhänger offen dazu auf, sich zu „verteidigen“, Muslime zu vergewaltigen und diese „auszurotten“. Solche Aufrufe werden vor allem durch soziale Medien verstärkt und von politischen Parteien unterstützt, wie zum Beispiel dieser Instagram Post der BJP in Gujarat, dem Heimatstaat von Premierminister Modi, zeigt:

Ein Instagram Post der BJP Gujarat. Eine Gruppe Männer in traditioneller muslimischer Kleidung hängen an einem Galgen vor einem brennenden Hintergrund und einer Indien-Flagge. Die Bildunterschrift lautet, auf Gujarati, „Keine Entschuldigung für Terroristen“.

Kommentatoren haben bereits die Parallelen solcher Posts zu Cartoons, die anderen Völkermorden vorhergingen, betont. In Deutschland zirkulierte die NSDAP 1935 beispielsweise folgendes:

Eine antisemitische Karikatur, die stereotypisierte Juden und Kommunisten am Galgen hängend zeigt, auf dem ein Hakenkreuz zu sehen ist. Das Jahr 1935 ist mit einem Fragezeichen vermerkt, und deutet somit eine mögliche Zukunft an. Quelle: The Wiener Holocaust Library.

Solch deutliche Schnittstellen zwischen Aufrufen zum Völkermord und der indischen Regierung gibt es wiederholt: Yogi Adityanath, der in früheren Reden zur Ermordung von Muslimen aufgerufen hat, wurde Anfang März 2022 als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten indischen Bundesstaates Uttar Pradesh wiedergewählt, und 2019 bezeichnete Indiens Innenminister Amit Shah Muslime öffentlich als „Termiten“. Mitglieder der Regierungspartei BJP nehmen unterdessen auch an Versammlungen teil, bei denen die Redner offen zum Völkermord aufrufen, wie zum Beispiel bei den von Yati Narsinghanand im Dezember 2021 organisierten Dharma Sansad-Versammlungen.

Die Atmosphäre bei der Konferenz im Februar war hoffnungsvoll; wenn die EU nur wüsste, was in Indien passiert, würden sofort Maßnahmen ergriffen werden, so die Teilnehmer.

Tatsächlich bekräftigen das EU-Indien Strategische Partnerschaftsdokument von 2020 und die EU-Kooperationsstrategie im Indo-Pazifik von 2021, dass die Handlungen der EU auf der Förderung von Demokratie und Menschenrechten basieren.

Dennoch schlugen Resolutionen des Europäischen Parlaments zur Missachtung von Menschenrechten in Indien, beispielsweise 2020 zum CAA, kurz vor ihrer Fertigstellung fehl, und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, der höchste Diplomat der EU, hat keinerlei Andeutungen gemacht, Indiens demokratische und menschenrechtliche Entwicklungen in jeglicher Form ansprechen zu wollen.

Die EU muss in ihren Bemühungen, sowohl Russland als auch China im globalen Handel obsolet zu machen, sorgsam vorgehen, um nicht einen weiteren Autokraten zu unterstützen und zu ermutigen.

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